Zur Geschichte des Bienenzüchtervereins Kassel von 1947 bis 1990
Mit der Wahl von Heinrich Schädel im April 1948 und der Währungsreform im selben Jahr trat die bisher so wichtige Zuckerbeschaffung für die Imker in den Hintergrund und es wurden neue Akzente gesetzt. Auf den Bienenständen hier waren um diese Zeit in der Regel Preuß-, Bohm- und Freudenstein-Hinterbehandlungsbeuten anzutreffen, und einem Anfänger wurde deutlich gemacht, daß es in dieser Hinsicht auch nichts Besseres gäbe. Herr Schädel versuchte sich nun landes- und weltweit zu orientieren, um geeignetes für die Imker hierher zu übertragen.
Großer Wert wurde auf die Verbesserung des Bienenmaterials gelegt, und in Verbindung mit der Marburger Anstalt gehörte Herr Dr. Dreher als Königinnenzuchtlehrer, Vortragender und Festredner fortan zu einer festen Stütze des Vereins. Durch Initiativen von H. Schädel und Förster Dilling aus Kaufungen wurde in den 50er Jahren im Kaufunger Wald eine Belegstelle errichtet; als Zuchtmaterial stand Carnica verschiedener Stämme zur Verfügung und es zeigten sich deutliche Völkerverbesserungen. Natürlich war das Beschicken der Belegstelle mit einem Rucksack voll gefüllter EWKs auf dem Fahrrad zum ca. 500m hochgelegenen Belgerkopf, mehrmals im Sommer, nicht jedermanns Sache.
Mittlerweile war bekanntgeworden, nicht zuletzt durch den Wanderimker Erich Kraft aus Ehlen, dass es etwas Einfacheres, Besseres gab als Hinterbehandlungsbeuten, nämlich das Magazin. Kassel vorn hieß die Parole, und Heinrich Schädel mit seinen engsten Mitarbeitern, Walter Schäfer, Konrad Hebler, Heinrich Köster u. a., konstruierten und bauten ein Magazin im Kuntzsch-Maß, das Kasseler Magazin. Andere Imker taten das gleiche im Normal- bzw. im Freudensteinmaß.
Interessant und Abwechslungsreich war es ständig im Kasseler Verein; in den Versammlungen sprachen Experten aus dem In- und Ausland, es wurden Standschauen und Fahrten gemacht; die vielen unterschiedlichsten Eindrücke waren oft verwirrend. Eine besondere Fahrt war schon 1951 in die DDR zur dortigen Lehranstalt Thälermühle mit ihrem Leiter Dr. Oschmann. Herrn Schädel war keine Arbeit zu viel, er hatte Verbindung zu Fachleuten, von denen die meisten Imker noch nicht den Namen gehört hatten.
So kam das Jahr 1960, und zum Kurhessischen Imkertag im September sollte Bruder Adam aus England in Kassel sprechen. Es wurde dies ein Ereignis, das Folgen hatte, wie sich später erwies. In den 60er Jahren mit ihrem blühenden Wirtschaftswunder stand vorwiegend der Hauptberuf im Vordergrund, und die Imkerei lief etwas stiefmütterlich nebenher. Nicht so bei Heinrich Schädel, er organisierte und plante – und ganz speziell in Richtung Buckfast. Seine guten Verbindungen zu Bruder Adam waren so weit gediehen, dass er eine Reise mit mehreren Imkern dorthin unternehmen wollte. Auf sein wiederholtes Bitten willigte ich schließlich ein mitzufahren, aber mehr dem schon kranken Mann zuliebe. Die vielen neuen imkerlichen Eindrücke und der fast einwöchige Aufenthalt in Buckfast haben die Strapazen der Fahrt im eigenen Auto aber bei weitem ausgeglichen. So kam dann die Buckfast-Biene in den Kasseler Raum. Einer hatte aber die Nase noch weiter vorn: Franz Fehrenbach aus Ravensburg. Er hatte schon wesentlich früher Zuchtmaterial aus England und die Buckfast-Biene auf seinen Ständen.
Für die neue, sehr brutfreudige und starke Völker bildende Biene waren unsere Beuten in der Mehrzahl zu klein. Eine Reihe von Imkerkollegen stellten ihren Betrieb konsequent um auf Dadantmaß mit halbhohem Honigraum, andere arbeiteten mit zwei Bruträumen im Normalmaß, und einige wollten das Maß nicht wechseln und leisteten sich das Vergnügen, in großen Trogbeuten ohne Absperrgitter mit doppeltem Freudensteinmaß im Brut- und einfach Freudenstein übereinander im Honigabteil zu imkern, so wie ich. Wenn auch die meisten Imkerfreunde zunächst ihr bisheriges Bienenmaterial beibehielten, so gab es durch den Einfluss der Buckfastimker doch einen allgemeinen Auftrieb in der Imkerei.
Unser so verdienstvoller und weit über Kassel hinaus bekannte 1. Vorsitzende Heinrich Schädel starb am 17. 2. 1975. Er hatte aber auch schon für den weiteren guten Bestand des Vereins vorgesorgt, indem er einige Jahre mit dem befähigten 2. Vorsitzenden, Günter Ries, zusammenarbeitete, der dann die Leitung des Imkervereins Kassel am 16. 3. 1975 übernahm.
Der Führungsstil war bisher mehr autoritär; mit Günter Ries geht es nun etwas lockerer, kameradschaftlicher, in der Sache aber doch sehr zielstrebig weiter. So wurde beispielsweise die Königinnenzucht praktisch deutlich verbessert. Das bisher nur zögernd angenommene Umlarven wurde Allgemeingut. Buckfast- und Carnicamaterial stand und steht auch heute noch wahlweise zur Verfügung, und das nicht nur an bestimmten Umlarvtagen.
Wenn auch der 1. Vorsitzende überzeugter Buckfastimker ist, so werden Zuchtfragen im Verein neutral behandelt, schon gar nicht polemisch, und beide Zuchtrichtungen kommen hier gut miteinander aus. Günter Ries, seines Zeichens Studienrat, liegt naturgemäß die Nachwuchsförderung und Ausbildung besonders nah. So werden von ihm schon über Jahre hin Kurse in der Volkshochschule und praktische Unterweisungen von Anfängern an seinem Stand mit großer Geduld durchgeführt.
Wer sie mitgemacht hat, wird es sicherlich gern bestätigen, die vielen, gut organisierten Fahrten ins In- und Ausland waren und sind eine angenehme und fachliche Bereicherung. Da nun der Honig in den letzten Jahren (nicht nur 1989) bedeutend stärker fließt, werden vom Vorstand immer wieder Fragen zur einwandfreien Honiggewinnung, Lagerung und Vermarktung angesprochen. Der Imkertag 1990 soll ja im Besonderen auf dieses Thema hinweisen. Anzumerken ist noch die seit Jahren bestehende Verbindung zu Imkerfreunden in der DDR und manchen Fahrten hin und her. Der schon erwähnte lockere und kameradschaftliche Umgang untereinander führt dazu, dass manches Problem mit etwas Witz und Freude leichter gelöst wird.
Sicherlich bestimmt der 1. Vorsitzende die Richtlinien der Vereinspolitik, aber ohne die besonderen, treuen und zuverlässigen Mitarbeiter, Kassierer, Schriftführer, Seuchen- und Belegstellenwarte und viele ohne Titel, die sich immer wieder dem Verein selbstlos zur Verfügung gestellt haben, wäre kaum eine Idee zu verwirklichen gewesen.